Zülch-Preis 2012 für Peter Hegemann

Saturday, 08. September 2012

Gertrud Reemtsma Stiftung würdigt die Begründer der optogenetik und die Bedeutung des jungen Forschungsgebiets für die neurologische Grundlagenforschung Forscher können heute Nervenzellen mit Genen für lichtempfindliche Proteinkanäle versehen und die Zellen so gezielt untersuchen und steuern. Die Gertrud Reemtsma Stiftung zeichnet nun vier Wissenschaftler mit dem K. J. Zülch-Preis 2012 aus, die das noch junge Forschungsgebiet der Optogenetik maßgeblich befördert haben. Zu ihnen gehört auch der Biophysiker Peter Hegemann von der Humboldt-Universität.

Verleihung des Zülch-Preises

Verleihung des Zülch-Preises

Peter Hegemann

Ausgezeichnet werden außerdem Ernst Bamberg vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt, Karl Deisseroth von der Stanford University, USA, Berlin und Georg Nagel von der Universität Würzburg. Mit der Auszeichnung würdigt die Gertrud Reemtsma Stiftung die große Bedeutung der Optogenetik, die das Forschungsfeld insbesondere für die Neurowissenschaften erlangt hat. Denn mithilfe optogenetischer Methoden können Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse über neurologische Erkrankungen gewinnen.

Der K. J. Zülch-Preis 2011 wurde am 7. September in Köln verliehen.

Manchmal sind es gerade die unscheinbaren Organismen, die die Wissenschaft voranbringen. Die einzellige Süßwasseralge Chlamydomonas reinhardtii und das Salzsee-Archaebakterium Natronomonas pharaonis sind dafür Paradebeispiele. Sie besitzen Lichtsinnesproteine zur Orientierung und Energiegewinnung, sogenannte Rhodopsine. Diese lichtempfindlichen Proteine nutzen Wissenschaftler seit einigen Jahren, um die Funktionsweise von Zellen zu untersuchen. Rhodopsine werden mit Hilfe von Gentechnik in Nervenzellen eingeschleust und lassen sich dort beispielsweise mit Hilfe von Licht aktivieren und wieder deaktivieren. Damit lassen sich Funktionen von einzelnen Zellen oder Zelltypen und die Verknüpfung dieser Zellen studieren.

Peter Hegemann gelang es 2002 an der Universität Regensburg mit den beiden Max-Planck-Wissenschaftlern Georg Nagel und Ernst Bamberg die außergewöhnliche Funktion der Algen-Rhodopsine zweifelsfrei nachzuweisen: Durch die Übertragung des Rhodopsin-Gens auf Eizellen des Krallenfrosches sowie humane Nierenzelllinien konnten sie beweisen, dass die Algenproteine Lichtrezeptor und Ionenkanal in einem einzigen Protein vereinen. Bei Lichteinfall einer bestimmten Wellenlänge wird der Proteinkanal durchlässig für positive Kalium- und Natrium-Ionen sowie Protonen – das Zellpotenzial wird also ins Positive verschoben (Depolarisation). Die Algen-Rhodopsine unterscheiden sich damit von den meisten anderen lichtempfindlichen Proteinen wie beispielsweise den Rhodopsinen im menschlichen Auge, die keinen eigenen Ionenkanal besitzen.

Nach ihrer Entdeckung begannen die Forscher, die von ihnen als Channelrhodopsine bezeichneten Proteine als Werkzeuge zur Untersuchung von Zellen einzusetzen. Denn ausgestattet mit dem Gen für das Channelrhodopsin-2-Protein lassen sich ganz unterschiedliche Zelltypen mit einem Lichtschalter versehen und die Auswirkungen von Änderungen der Ionenzusammensetzung oder des pH-Werts analysieren.

Die Optogenetik eignet sich zudem zur Untersuchung neurologischer Erkrankungen wie Epilepsie, Parkinson oder Depression. Wichtiges Hilfsmittel sind dabei genetisch veränderte Tiere mit Krankheitsbildern, die menschlichen Erkrankungen ähneln und mit Channelrhodopsin-Genen ausgestattet sind. Ein Ziel könnte sein, im Gehirn von Epilepsie- oder Parkinson-Patienten Nervenzellen mit Hilfe von lichtleitenden Glasfasern nach Bedarf kontrolliert an- oder abzuschalten, um die entsprechenden Krankheitsphänomene aufzuheben.

Auch darüber hinaus könnte die Optogenetik in Zukunft medizinischen Nutzen haben. So haben Forscher bereits 2006 und 2008 blinde Mäuse wieder sehend gemacht. Dazu brachten sie Channelrhodopsin in Nervenzellen der Netzhaut von Mäusen ein, die aufgrund eines Gendefekts keine Lichtsinneszellen ausbilden können. Die Tiere konnten nach dieser Behandlung zumindest wieder zwischen hell und dunkel unterscheiden. Möglicherweise können auch Menschen mit einer Erkrankung der Netzhaut - der so genannten Makula-Degeneration - durch eine Gentherapie mit Channelrhodopsinen zumindest einen Teil ihrer Sehkraft wieder erlangen.

Fotos:
1: Verleihung des Zülch-Preises: Dr. Karl Deisseroth, Prof. Dr. Ernst Bamberg, Prof. Dr. Georg Nagel, Prof. Dr. Peter Hegemann (4. von links) mit der zweiten Oberbürgermeisterin der Stadt Köln Elfi Scho-Antwerpes (07. Sept. 2012).
2: Verleihung des Zülch-Preises: Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft Prof. Dr. Herbert Jäckle, Frau Zülch (Jr.),  Prof. Dr. Ernst Bamberg, Prof. Dr. Peter Hegemann, Prof. Dr. Georg Nagel, Dr. Karl Deisseroth und Elfi Scho-Antwerpes (Sept. 07, 2012). 
Photo 3: Peter Hegemann an seinem Schreibtisch an der HU Berlin. (© HU Berlin / Bernd Prusowski).

 

Der K-J. Zülch-Preis der Gertrud-Reemtsma-Stiftung wird seit 1990 für herausragende Leistungen in der neurologischen Grundlagenforschung vergeben. Der Preis ist mit 50.000 € dotiert.

Die "Gertrud-Reemtsma-Stiftung" wurde 1989 von Gertrud Reemtsma im Gedenken an ihren verstorbenen Bruder, den Neurologen Prof. Dr. Klaus Joachim Zülch, ehemaliger Direktor der Kölner Abteilung für Allgemeine Neurologie des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung, Frankfurt, mit dem Ziel gegründet, die Erinnerung an das Lebenswerk ihres Bruders wachzuhalten und die neurologische Grundlagenforschung zu fördern.

Bei der "Gertrud-Reemtsma-Stiftung" handelt es sich um einen innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft gesondert geführten Vermögensbereich, dessen Ziel es ist, besondere wissenschaftliche Leistungen in der neurologischen Grundlagenforschung zu fördern und anzuerkennen.